Die Grafinger Stadtverwaltung

So gelingt die dezentrale Energiewende 

Rückblick zum online-Fachgespräch Energiewende in Grafing

Die Energiewende ist ein Geschenk. Weil sie dezentral angelegt ist und organisiert wird, ermöglicht sie die Stromproduktion in den Händen vieler: Kleinunternehmen, Bürger*innen oder Gemeinden – sie alle können in die Strom- und Wärmeversorgung einsteigen und sind weder abhängig vom guten Willen der exportierenden Länder fossiler Energieträger, noch von den wirtschaftlichen Interessen börsennotierter Großunternehmen. Das Ziel: Lokale Wertschöpfung statt Milliarden Importkosten für fossile Energieträger.

Welche Chancen die dezentrale Energiewende bietet – aber auch welche Hürden es noch auf dem zu einer gelungenen Umsetzung zu meistern gilt -, war Thema des Fachgesprächs Energiewende am Montag (30.11.).

Ursprünglich als erster Referent geplant, kam Florian Rothmosers Beitrag über die Firmengeschichte des lokalen Energieversorgers Rothmoser und dessen Engagement im Bereich der Energiewende aus technischen Gründen erst an einer späteren Stelle. Mit dem Rückblick in die eigene Familiengeschichte machte der junge Geschäftsführer deutlich, dass grüner Strom aus Wasserkraft seit dem 19. Jahrhundert an dem wirtschaftlichen Aufschwung bayerischer Gemeinden beteiligt ist.

Zugleich sieht Florian Rothmoser in der Kombination aller verfügbaren erneuerbarer Energien, dem Zukauf von Ökostrom-Anteilen aus der Überproduktion an anderer Stelle und dem Auf- und Ausbau von Nahwärmenetzen eine gute Möglichkeit, um Kommunen wie die Stadt Grafing nachhaltig mit grüner Energie zu versorgen.

Ein Ziel, das auch das EBERwerk verfolgt. Doch anders als die Firma Rothmoser, die sich mit ihrer Energieversorgung auf eine Gemeinde konzentriert, verfolgt das von 19 Landkreisgemeinden getragene EBERwerk den Ansatz, gleich einen ganzen Landkreis mit Ökostrom zu versorgen. Für Geschäftsführer Markus Henle ein Ansatz, der sich vor allem dank der dezentralen Energiewende umsetzen lässt: Bedarfsgerecht können Anlangen gebaut werden, einzelne Stellschrauben zur Energieeinsparung in den Gemeinden (wie etwa die Straßenbeleuchtung) identifiziert und nachjustiert werden und zugleich können die Menschen genau sehen, woher der Strom eigentlich kommt, der aus ihrer Steckdose fließt.

Für Markus Henle ist genau das – die „höhere soziale Gerechtigkeit", wie er sagt – ein Argument für die Energiewende. Damit meint er, dass „wir unseren Energiebedarf von den Ressourcen decken, die wir bei uns gewinnen und dafür auch die ein oder andere Einschränkung in Kauf nehmen."

Es war einer der Sätze des Abends, in deren wenigen Worten viel Wahrheit steckte. Der Protest und die Verweigerungshaltung gegenüber den Quellen erneuerbarer Energien, wie etwa Windräder oder Freiflächen-PV, entstammt oft einer „not in my backyard"-Haltung: „Energiewende schön und gut, aber bitte nicht hier vor meiner Haustür, wo ich das sehen muss", könnte man auch sagen.

Doch die dezentrale Energiewende macht genau das: Sie demokratisiert die Auseinandersetzung mit der Herstellung des Stroms, den man selbst verbraucht. Das ist eine Revolution, die viel zu selten gewürdigt wird. Früher war das anders: Die Bürger*innen des Rheinlandes sind nicht gefragt worden, ob sie über ein Jahrhundert hinweg Dorf um Dorf opfern wollen, damit die weggebaggerte Heimat zu Strom verbrannt wird.

Heute aber können Bürger*innen sogar mitentscheiden, ob und wie viele Windräder, Freiflächen- oder Dach-PV-Anlagen sie gerne tragen wollen; Jeder ein Stück, das ist die große, faire Chance der dezentralen Energiewende. An diese Teilhabe erinnerte auch Lisa Rüttgers, als sie in ihrem Vortrag das Ratsbegehren ansprach, das im Mai kommenden Jahres klären soll, ob die Bürger*innen im Landkreis Ebersberg mit der Errichtung von fünf Windrädern im Forst einverstanden sind.

Die Klimaschutzmanagerin des Landkreises, die im August die Nachfolge von Hans Gröbmayr antrat, machte deutlich, welche Änderungen darüber hinaus noch notwendig sind, wenn die Gesellschaft das Ziel der Klimaneutralität wirklich ernst nimmt: Ein völlig anderes Konsum- und Ernährungsverhalten, eine umgestaltete Mobilität – unterfüttert mit einer Studie des Wuppertal-Instituts zeigte sie, dass der radikale Ausbau der erneuerbaren Energien im Landkreis da noch die kleinste Herausforderungen für die Bürger*innen sein dürfte.

Vortrag von Dr. Willie Stiehler, Geschäftsführer der Energieagentur Ebersberg-München gGmbH

Doch diese Änderungen lassen sich nur realisieren, wenn alle gemeinsam an einem Strang ziehen, Überzeugungsarbeit leisten, niemanden zurücklassen und immer wieder in der Weltgemeinschaft denken, das waren Anregungen, die den Vortrag von Dr. Willie Stiehler, Geschäftsführer der Energieagentur Ebersberg-München gGmbH durchzogen.

Etwas mehr als zwei Stunden erzählten die Referent*innen ihre Visionen einer dezentralen Energiewende, gaben Hinweise, diskutierten über Hürden und zeigten aber auch die großen Chancen auf, die in dieser Energiewende liegen. Gut gefüllt mit Eindrücken, aber auch in den Kommentaren merklich nachdenklich gestimmt, verließen die rund 100 Teilnehmer*innen der Veranstaltung den digitalen Raum.

Nicht alle Fragen konnten im Rahmen des Fachgesprächs hinreichend beantwortet werden. Interessensschwerpunkte werden im Programm der Fachgespräche Energiewende für das zweite Halbjahr aufgenommen. Einige Antworten möchten wir mit Unterstützung der Experten des Abends im Folgenden nachreichen.

Die Präsentationen des Abends können Sie hier herunterladen: